Programme

Ich habe mir angewöhnt, all meine Handlungen und Worte möglichst sofort zu reflektieren und zu hinterfragen, um Programme und egoistische Gedankengänge zu erkennen und daran zu arbeiten.

Dabei ist mir in letzter Zeit oft aufgefallen, dass ich Dinge tue die mir in dem Moment von allein nicht in den Sinn gekommen wären, um andere, wildfremde Menschen zu beeindrucken.

Ein Beispiel: Ich steige in die Bahn ein und setze mich in einen Vierer direkt an den Gang. Schräg gegenüber sitzt ein Mann in den frühen Dreißigern und liest ein Buch. Eigentlich wollte ich eine Whatsappnachricht beantworten, doch ich hole mein Buch heraus und fange an zu lesen, damit mein Gegenüber nicht denkt ich sei ein Smartphone-Opfer.

Oder gerade eben, als ich schon von weitem sah, dass ein Arbeitskollege durch den Raum kommen würde, mit einem Apfel in der Hand. Mich packt der Impuls, meine Birne, die auf dem Tisch liegt, in die Hand zu nehmen und abzubeißen.

Ich glaube, ich versuche damit unbewusst sofort, so schnell wie möglich Brücken zu schlagen zu den Menschen denen ich begegne. Nunja, unbewusst ist es ja nun nicht mehr. Es fällt mir in letzter Zeit regelmäßig auf, und zwar noch während dem Ausführen der Handlung.

Dieses blitzschnelle Erkennen einer Gemeinsamkeit und das darauf folgende Profilieren dem Anderen gegenüber verfolgt das Ziel, Sympathie zu erzeugen.

Mir ist schon lange klar, dass ich ein Menschenmagnet bin. Die meisten Menschen denen ich begegne, mögen mich. Und ich glaube, dass das unter anderem an diesem Mechanismus liegt. Weil ich dafür sorge, dass die Menschen sich mit mir identifizieren können.

Man könnte ja meinen, das wäre was Gutes. Ich meine, klar finde ich es gut, dass die Menschen mich mögen. Aber irgendwie habe ich jetzt das Gefühl, dass das zumindest zu einem Teil unverdient ist. Weil ich schummle.

Wobei ich ja nichts tue, was ich sonst nicht tun würde. Ich lese für mein Leben gern und liebe Obst. So richtig schauspielern tue ich also nicht, aber ich setze diese Handlungen teils unbewusst bewusst so, dass sie jemand zu sehen bekommt, dem das gefallen könnte. Das ist schwer manipulativ.

.o.

Ich erinnere mich gerade an eine Szene aus der Realschule, wir besuchten den Bundestag. Ich hörte Linkin Park über meinen MP3-Player und summte mit, sodass der beliebte Junge – der mich seit der Grundschule hasste und Auslöser für die Mobbingwelle mit mir in der Hauptrolle war – es hörte und mich vielleicht doch anfing zu mögen. Vergeblich, versteht sich.

.o.

Ich werde mir dieses manipulative Verhalten abgewöhnen, damit die Menschen mich für das mögen was ich bin, und nicht für das was ich ihnen vorspiele.

4 Kommentare zu „Programme

  1. Das Verhalten beobachten und sich bewusst machen ist doch schon mal ein wichtiger Schritt. Die nächste Frage wäre: Warum willst Du Dir das abgewöhnen? Und wäre das Sinnvoll? Beobachtungsvorschlag: Studiere Tiere, die sich zu Gemeinschaften zusammenordnen. Krähen, Hunde, Affen…

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    1. Ich möchte mir das abgewöhnen, weil ich es als unnatürlich empfinde. Ich beziehe mich direkt auf das zweite Beispiel: Ich hatte gar keinen Hunger. Und hätte die Birne viel später essen wollen (und hab mich später auch darüber geärgert). Habe also meine eigenen Bedürfnisse in dem Moment außer Acht gelassen, nur um jemand anderem zu gefallen. Ich bin doch kein Paradiesvogel auf der Balz!

      Den Beobachtungsvorschlag werde ich dennoch beherzigen. Bin ja sowieso ein großer Tierfan 😉

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        1. Ich frage mich halt, wie viel von dieser Angewohnheit wirklich „natürlich“ sein soll. Klar sind wir soziale und irgendwo auch manipulative Wesen die gefallen wollen, das liegt in unserer Natur und kann man womöglich auch nicht „verlernen“. Aber ich will sehen wie viel ich davon abbauen kann und werde dann ja feststellen, was zur Natur des Menschen gehört, und was vom Ego kommt.

          Und ja, wenn man diese kleinen Feinheiten im Verhalten kennt, kann man herrlich seine Spielchen damit treiben 😉

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